Zum Jahresende 2021 lebten in Deutschland rund 7,8 Millionen Menschen mit einer
Schwerbehinderung. Als schwerbehindert gelten gemäß § 2 Abs. 1 und 2 SGB IX Personen,
denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mindestens 50 zuerkannt sowie
einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben.
Bundesweit arbeiten davon etwa 320000 Menschen in Werkstätten für Menschen mit
Behinderung (WfbM). Dort stellen sie hochwertige Waren her und führen für Unternehmen
und Verwaltungen sehr professionell Dienstleistungen durch. Der Umsatz der
Werkstätten beläuft sich dabei jährlich auf insgesamt 8 Milliarden Euro.
Problematisch ist dabei allerdings, dass die Menschen mit Behinderung dort nicht als
Arbeitnehmer beschäftigt sind, sondern ein sogenanntes arbeitnehmerähnliches
Arbeitsverhältnis mit der Werkstatt haben. Das bedeutet gleichzeitig, dass sie weder
bestimmte Arbeitnehmerrechte, wie beispielsweise das Streikrecht oder die
Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, in Anspruch nehmen können, noch ein Recht auf
den Mindestlohn haben.
Dies führt dazu, dass diese Menschen durchschnittlich ein Entgelt von nicht einmal
2,00 Euro pro Stunde für ihre Arbeit in den Werkstätten bekommen. Daher sind sie für
ihren Lebensunterhalt auf staatliche Zahlungen angewiesen.
Die Aufgabe einer WfbM ist es eigentlich, den Menschen eine angemessene berufliche
Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt
aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder
Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und
dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Zudem sollen die Werkstätten den
Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete
Maßnahmen fördern, § 219 SGB IX.
Allerdings finden nicht einmal ein Prozent der Menschen einer WfbM eine Anstellung im
ersten Arbeitsmarkt. Obwohl die Voraussetzungen hierfür gut wären, da Unternehmen mit
mehr als 20 Mitarbeitenden fünf Prozent aller Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten
besetzen müssen, § 154 I SGB IX. Diese Regelung sehen wir kritisch und wollen sie
abschaffen, da sie sonst zu Ausbeutung führt. Ansonsten müssen die Unternehmen
Abgaben in Höhe von bis zu 360 Euro pro unbesetzten Arbeitsplatz pro Monat zahlen.
Jedoch können sich Unternehmen hiervon freikaufen, indem sie Aufträge an Werkstätten
für behinderte Menschen vergeben.
Wir Junge Liberale setzen uns für die Rechte von Menschen mit Einschränkungen ein und
fordern daher eine echte Integration dieser in den Arbeitsmarkt.
Momentan gibt es keine Anreize für Werkstätten ihre Mitarbeiter tatsächlich in den
ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Dies muss sich ändern. Daher fordern wir, dass
Sozialämter, die die Werkstätten finanzieren, bestimmte Übergangsquoten mit diesen
vereinbaren müssen.
Außerdem soll es, um Berührungsängste von Arbeitgebern abzuschwächen, zunächst eine
Art „Kennenlernsystem“ geben. Dabei soll das Geld, welche für die Förderung
normalerweise an die Werkstatt überwiesen wird, beispielsweise ein Verein bekommen,
welcher die Menschen im Betrieb fördert. Alternativ kann diese Begleitung auch mit
einer Fachkraft aus der Werkstatt erfolgen. Als Vorbild kann hierbei das Netzwerk
Integration und Sozialforschung kurz BIS e.V. aus Berlin herangezogen werden, welches
eine Erfolgsquote von über 70 % bei der Vermittlung hat.
Zudem fordern wir, dass Unternehmen denselben Preis für Aufträge an Werkstätten
bezahlen müssen, den sie auch am regulären Arbeitsmarkt zahlen müssten. Da
Werkstätten verpflichtet sind, 70 Prozent vom Arbeitsergebnis an die Mitarbeitenden
auszuschütten, würde sich daher auch das Entgelt für die Menschen erhöhen. Zugleich
soll dies als Anreiz dienen, tatsächlich Menschen mit einer Schwerbehinderung
einzustellen.
Schlussendlich fordern wir für Menschen in den Werkstätten sowohl das Streikrecht als
auch das Recht, ein starken Werkstattrat zu gründen.